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Bil-Dung

  • Autorenbild: danah62
    danah62
  • 3. Okt.
  • 2 Min. Lesezeit

Seit Jahrzehnten habe ich mit Bildung zu tun. Da waren schon Unmengen an Bildünger auszubringen. Die eigene Biografie ist oft der billigste Dünger, den man sofort zur Hand hat.

 

Ein Wachstumsbeschleuniger, den mir meine Mutter selig schon früh verabreicht hat, war Abstand zu nehmen von der Masse: „Wir sind nicht die anderen!“ Mit diesem Statement pflegte sie mir qualifiziert auf die Nerven zu gehen, wenn ich etwas wollte. Sie trampelte einfach auf meiner Argumentation, die anderen hätten/dürften/könnten auch, herum. Dennoch wirkte das Mittel erstaunlich zuverlässig:

Ich war nicht die anderen, als diese vor dem 80m-Sprint ihre Glieder dehnten und aufwärmten und auch dann nicht, als sie sich federnden Schrittes wieder in die Umkleidekabine begaben. Exklusiv erhielt ich eine Audienz beim Arzt - aber der schmerzende Muskelriss entlockte mir eine Litanei an unpopulären berndeutschen Formulierungen, welche die Stimmung zusätzlich negativ beeinflussten.

 

So zog sich das durch mein ganzes bisheriges Dasein. Ich war nie die anderen und bewilligte mir den Luxus, eigenständig zu überprüfen, ob deren Verhalten einen rationalen Benefit generierte und ob er in der Gesamtbetrachtung die Lebensqualität und vor allem den Spassfaktor zu erhöhen vermochte. Wenn nichts davon zutraf, wollte mir nicht einleuchten, weshalb ich sie nachäffen sollte. Keine noch so geigende Mehrheit imponierte genug, um ein Argument zu sein.

Möglicherweise kommt noch dazu, dass es mir zuwider ist, böse über die anderen zu sein, wenn etwas in die Beinkleider geht. Ich will schon selber Schuld haben und dann gefälligst meinen eigenen Spiegel zertrümmern (sonst müsste ich ja in fremde Nasszellen eindringen und im dümmsten Moment noch eine Einbrecherkarriere starten).

 

Nach heutiger Bilanzierung lief es nicht so leid mit dem Soziopathengroove - vor allem, wenn man in Betracht zieht, was ich durch die auf eigene Faust gemachten Fehler alles lernte. Da kriege ich direkt Lust, noch ein paar weitere Böcke zu daten, äh… nein sorry… zu schiessen.

Was ich alles erlebt und zu erzählen hätte… Es gab Dinge, über die konnte ich nur mit mir selber reden, um einen sachkundigen Rat einzuholen. Mein Badezimmerspiegel verfärbte sich dabei oft rot. Damit brachte er mich zum Lachen.

 

Seit ich die bildüngende Gärtnerin bin (gibt es ein scheusslicheres Wort als Lehrkraft?), versuche ich mich daran zu erinnern, was der beste Wachstumsgarant ist: Soziale Freiheit! Und das zweitbeste Bildüngemittel heisst Spass. Er ist das letzte Hemd! Erst wenn uns die Lust auf den Schabernack vergeht, dann bleiben wir stecken.

Aber diese Gefahr sah ich in meinem Fall bisher als nicht gegeben. Meine Vermutung ist, dass man damals, als die Abgasfilter auf den Markt kamen (vor zwanzig Jahren hiess die aktuelle und stark empfohlene Hysterie Feinstaub), mir aus Versehen auch einen eingebaut hat. Dieser interagiert jetzt chemisch mit Kaffee: Ich schütte die Brühe in den Suppenschlitz und innert Sekunden kommt irgendein blöder Spruch heraus.

 

Das vertreibt den Wahnsinn. Man kann nicht grinsen und gleichzeitig eine Hysterie produzieren oder sich um ihre Wartung kümmern. Da wird das Serviceheft eben nicht nachgeführt und das Wachstum nicht gehemmt.

 
 
 

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