Wir haben Plakate am Strassenrand.
Auf dem ersten, das mir beim Wegfahren in östlicher Richtung ins Auge dringt, steht: Club-Olymp; Sex, Wellness, Essen, Spa. Wenige Meter weiter blicke ich auf ein anderes Plakat mit der Aufschrift: Lange Nacht der Kirchen. Spontan frage ich mich, wo mir die Nacht wohl länger vorkäme...
Wer vor dem zweiten Plakat bereits das Steuer herumreisst und gen Westen pilgert, um dort sämtliche Hüllen fallenzulassen, der schafft es ja vielleicht beim nächsten Mal bis zur zweiten Werbefläche. Dort gibt er möglicherweise dem Impuls nach, zur Kompensation bei den heiligen Hallen einzukehren. Im Zeitalter der Zertifikate könnte so ein Geschäftsmodell etwas Geld in die sakralen Kassen spülen.
Passiert man das Dorf in Fahrtrichtung Bern, ändert sich die Reihenfolge. Da geht man erst zur Kirche, um die Absolution abzuholen. Herumgesaut wird danach - wenn das Frömmigkeitskonto wieder schwarze Zahlen aufweist.
Ich habe mich auf der Olymp‘schen Website umgesehen. Dort sind viele weitgehend unbekleidete Damen abgebildet (Wo sind überhaupt die Jungs?). Dies wirft bei mir die Frage auf, weshalb die Kirche ihre Werbung nicht gleich auf den Körpern der Mädels anbringt. Da reden alle vom Nutzen der Synergien, aber hier wird's voll verpasst!
Ah, jetzt erkenne ich, weshalb man keine Jungs präsentieren kann. Wären die auch schon dort, würde sich niemand mehr für den externen Besuch interessieren und die Kirche käme zu kurz, weil ihre Beichtstühle leer stünden. Man muss nur die Zusammenhänge sehen, und schon ergibt alles einen tieferen Sinn.
Tja, es lauert einem Manches am Wegrand auf, wenn man so im Leben verkehrt. Als genügsamer Mensch beschränke ich mich gewohnheitsmässig auf eine Kenntnisnahme der Angebote. Hab schon genug damit zu tun, darüber nachzudenken. Ich neige zur Vermutung, dass ich nicht einmal damit fertigwerde, bevor ich in die Kiste fahre.
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